Gewerbeordnung § 55 Reisegewerbekarte

(1) Ein Reisegewerbe betreibt, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung (§ 4 Absatz 3) oder ohne eine solche zu haben
1.
Waren feilbietet oder Bestellungen aufsucht (vertreibt) oder ankauft, Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistungen aufsucht oder
2.
unterhaltende Tätigkeiten als Schausteller oder nach Schaustellerart ausübt.
(2) Wer ein Reisegewerbe betreiben will, bedarf der Erlaubnis (Reisegewerbekarte).
(3) Die Reisegewerbekarte kann inhaltlich beschränkt, mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit oder der Verbraucher erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig.
Fußnote
(+++ § 55 Abs. 2 u. 3: Zur Nichtanwendung vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 +++)

Erläuterungen

§ 55 der Gewerbeordnung (GewO) beschäftigt sich umfassend mit den rechtlichen Regelungen und Anforderungen für das Betreiben eines sogenannten Reisegewerbes. Der Gesetzgeber hat diesen Abschnitt geschaffen, um die Bedingungen für Personen zu regeln, die ihre gewerbliche Tätigkeit nicht an einem festen Standort ausüben, sondern ortsunabhängig unterwegs sind und ihre Dienstleistungen oder Waren außerhalb eines festen Geschäftsbetriebs anbieten.

Definition des Reisegewerbes

Nach Absatz 1 betreibt jemand ein Reisegewerbe, wenn er gewerbsmäßig und ohne vorherige Bestellung tätig wird, entweder außerhalb einer festen Niederlassung oder ganz ohne eine solche zu haben. Das Reisegewerbe umfasst also sowohl den Verkauf von Waren als auch das Anbieten von Dienstleistungen in Form eines Außendienstes. Es gibt zwei wesentliche Merkmale, die das Reisegewerbe definieren:

  1. Feilbieten von Waren und Anbieten von Leistungen: Ein Reisegewerbetreibender bietet Produkte oder Dienstleistungen ohne vorherige Bestellung an und sucht aktiv nach Kunden oder Aufträgen. Dies kann zum Beispiel bei Vertretern der Fall sein, die Haustürgeschäfte machen, auf Märkten oder Messen ihre Produkte vertreiben, oder auch bei Handwerkern, die ihre Dienste vor Ort anbieten, ohne dass der Kunde sie zuvor angefordert hat.
  2. Unterhaltende Tätigkeiten als Schausteller: Auch Schausteller, die Unterhaltungsangebote wie Jahrmärkte, Zirkusvorstellungen oder ähnliche Veranstaltungen durchführen, fallen unter das Reisegewerbe. Entscheidend ist, dass diese Tätigkeiten an wechselnden Orten und nicht in einer festen gewerblichen Niederlassung durchgeführt werden.

Erlaubnispflicht: Die Reisegewerbekarte

Absatz 2 legt fest, dass für die Ausübung eines Reisegewerbes eine besondere behördliche Erlaubnis erforderlich ist, die sogenannte Reisegewerbekarte. Diese Karte dient als offizieller Nachweis, dass der Inhaber berechtigt ist, das Reisegewerbe auszuüben. Der Zweck dieser Regelung liegt darin, einen gewissen Schutz für die Öffentlichkeit zu gewährleisten und sicherzustellen, dass nur seriöse und vertrauenswürdige Personen in diesem Bereich tätig werden können.

Die Erlaubnispflicht unterscheidet das Reisegewerbe deutlich von anderen gewerblichen Tätigkeiten, bei denen unter Umständen keine spezifische Genehmigung erforderlich ist, solange diese in einer festen Niederlassung betrieben werden. Im Reisegewerbe gibt es hingegen aufgrund der Ortsunabhängigkeit eine höhere Verantwortung, um den Schutz von Verbrauchern zu gewährleisten.

Einschränkungen und Auflagen

Der Gesetzgeber räumt der zuständigen Behörde gemäß Absatz 3 die Möglichkeit ein, die Reisegewerbekarte inhaltlich zu beschränken, sie mit einer Befristung zu erteilen oder sie mit Auflagen zu versehen. Diese Maßnahmen sollen in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit und der Verbraucher dienen.

  • Inhaltliche Beschränkungen: Die Behörde kann festlegen, dass der Inhaber der Reisegewerbekarte nur bestimmte Arten von Waren oder Dienstleistungen anbieten darf. Zum Beispiel könnte ein Händler auf bestimmte Produkte oder Regionen beschränkt werden.
  • Befristung: Die Reisegewerbekarte kann für einen bestimmten Zeitraum gültig sein, insbesondere wenn die Behörde aufgrund bestimmter Umstände sicherstellen will, dass nach einer bestimmten Frist eine erneute Überprüfung des Gewerbetreibenden stattfindet.
  • Auflagen: Dies könnten spezielle Bedingungen sein, die der Inhaber der Reisegewerbekarte erfüllen muss, um das Gewerbe weiterhin ausüben zu dürfen. Zum Beispiel könnte verlangt werden, dass der Gewerbetreibende bestimmte Hygienevorschriften einhält, wenn er Lebensmittel vertreibt, oder besondere Sicherheitsvorkehrungen trifft, wenn er technische Dienstleistungen anbietet.

Nachträgliche Änderungen

Ein besonders wichtiger Aspekt von Absatz 3 ist, dass die Behörde nicht nur bei der Erteilung der Reisegewerbekarte Einschränkungen und Auflagen verhängen kann, sondern auch nachträglich Änderungen, Ergänzungen und neue Auflagen festlegen darf. Diese Flexibilität ermöglicht es den Behörden, auf veränderte Umstände zu reagieren, zum Beispiel wenn sich das Verhalten des Gewerbetreibenden oder die Rahmenbedingungen seines Gewerbes ändern.

Fazit

Insgesamt dient § 55 der Gewerbeordnung dazu, das Reisegewerbe klar zu regulieren und sicherzustellen, dass Personen, die gewerbsmäßig außerhalb fester Standorte tätig sind, kontrolliert und rechtlich abgesichert arbeiten. Die Reisegewerbekarte ist das zentrale Instrument, um dies zu gewährleisten. Sie gibt den Behörden die Möglichkeit, die Tätigkeiten von Reisegewerbetreibenden zu steuern und die Interessen der Allgemeinheit und der Verbraucher zu schützen. Dies schafft Vertrauen bei den Kunden und sorgt für fairen Wettbewerb unter den Gewerbetreibenden.